Direkt zum Inhalt wechseln

»Wenn Elefanten kämpfen, leidet das Gras«


Soziale Arbeit in Afrikas Region der Großen Seen

Cover des Buches
  • Buch
  • Spitzer, Helmut
  • Weinheim: Beltz Juventa, 2023. - 221 S.

Ostafrika ; Sozialarbeit ; Eurozentrismus

Helmut Spitzer teilt in „Wenn Elefanten kämpfen, leidet das Gras“ Erfahrungen aus seiner Forschungstätigkeit im Bereich der Sozialarbeit in der afrikanischen Region der großen Seen. Diese umfasst klassischerweise die ostafrikanischen Staaten D.R. Kongo, Uganda, Ruanda und Burundi, wobei Spitzer auch die Nachbarländer Tansania und Kenia einbezieht. Spitzer befasst sich aus einer – Eurozentrismen und Privilegien reflektierenden – „Mzungu-Perspektive“ mit Herausforderungen und Chancen der Sozialen Arbeit in der afrikanischen Zwischenseenregion. Diese Profession arbeite angesichts schwacher sozialpolitischer Rahmenbedingungen, prekärer Ausstattung und fehlender Standardisierung in schwierigen Verhältnissen. Zudem haben die betreffenden Gesellschaften unter massiven Verwerfungen wie dem Kolonialismus und seinen Fortwirkungen sowie in jüngerer Zeit zahlreichen bewaffneten Konflikten zu leiden. Das titelgebende Sprichwort „Wenn Elefanten kämpfen, leidet das Gras“ adressiert insofern ganz zentral Machtasymmetrien und globale Zusammenhänge mit Auswirkungen auf lokaler Ebene: Spitzer nennt als Beispiele den entfesselten Kapitalismus, Warlords und korrupte Eliten, die Klimakrise und geopolitische Akteure. Diese Verflechtungen erschweren die Realität der Sozialen Arbeit zusätzlich: „Die Ursachen für die großen sozialen Probleme in Subsahara-Afrika sind mehrheitlich auf einer strukturellen Makroebene zu verorten, während sich sozialarbeiterische Interventionen zumeist nur auf Symptombekämpfung auf der Mikroebene der menschlichen Lebenswelten konzentrieren können.“ Zugleich ist es dem Verfasser ein Anliegen, die Bevölkerung nicht bloß als passive Opfer von Leid und Ungleichheit zu zeichnen, sondern sie als aktive Mitgestalter_innen der eigenen Lebensrealitäten darzustellen. So betont er etwa deren Resilienz, solidarische Alltagspraktiken, Kreativität und Improvisation.

In den einzelnen Beiträgen widmet sich Spitzer etwa historischen Perspektiven auf Soziale Arbeit unter Berücksichtigung vorkolonialer Formen des Helfens, Fachdiskursen der Disziplin Soziale Arbeit im Kontext Subsahara-Afrika oder der eigenen Forschungsperspektive. In den darauffolgenden Länderbeispielen werden etwa die Post-Konflikt-Gesellschaft Burundis, Beiträge der Sozialen Arbeit zur Aussöhnung nach dem Genozid in Ruanda, der Bürgerkrieg in der D.R. Kongo, die Reintegration von ehemaligen Kindersoldat_innen in Norduganda, Praxisfelder der Kinder- und Jugendhilfe in afrikanischen Slums oder die Rolle Sozialer Arbeit in ländlichen Peripherien behandelt. Abschließend diskutiert Spitzer kritisch die Machtverhältnisse in der internationalen Zusammenarbeit unter dem Schlagwort des „professionellen Imperialismus“ und plädiert für mehr Solidarität und vor allem Bescheidenheit gegenüber den afrikanischen Partner_innen: „Die Soziale Arbeit in afrikanischen Kontexten braucht vor allem eines – eine starke Soziale Arbeit mit afrikanischer Identität und afrikanischen Konzepten. Westliche Akteur*innen können für sich Wege ausloten, wenn sie sich in diesen Prozess einbringen möchten, idealerweise in Absprache und Rückkoppelung mit den Handelnden und Betroffenen vor Ort. Eine solidarische und bescheidene Grundhaltung könnte dabei recht hilfreich sein.