Über Kriege und wie man sie beendet
Zehn Thesen
- Buch
- Leonhard, Jörn
- C.H. Beck, 2023. - 208 Seiten.
Die Aktualität des vorliegenden Bandes könnte größer kaum sein: zehn Tage vor der Veröffentlichung beginnt mit dem Angriff der Hamas auf Israel der fünfte Krieg im Gaza-Israel-Konflikt. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine wiederum ist seit Anfang 2022 im Gange und ein Ende keineswegs in Sicht. Die Unübersichtlichkeit der Lage ist dabei auch der Komplexität globaler Machtverhältnisse, Abhängigkeiten und unterschiedlichen Dynamiken geschuldet. Der Versuch, die schwer zu beschreibende Realität „Krieg“ zu erklären und zu strukturieren, erfolgt dabei häufig unter Verweis auf historische Entwicklungen. Der Historiker Jörn Leonhard, der u.a. bereits Globalgeschichten des Ersten Weltkriegs und der Versailler Verträge verfasst hat, adressiert das Potenzial der Geschichte für das Verständnis der Gegenwart hingegen differenziert: „Man kann die aktuellen Krisen nicht an die Geschichte delegieren. Geschichte wiederholt sich nicht, und sie liefert auch keine Blaupausen für Entscheidungen. Aber sie zeigt in einem großen Reservoir über Zeiten und Räume, welche Konstellationen warum zu welchen Ergebnissen führten. Sie offenbart Verlaufsmuster und Handlungslogiken genauso wie Ambivalenzen und paradoxe Situationen, und sie immunisiert gegen einfache Erklärungen, Analogien und Vergleiche.“
In zehn kompakten Thesen skizziert Leonhard auf Grundlage historischen Materials die strukturellen Muster, Strategien und Dilemmata kriegerischer Auseinandersetzungen. So sieht er wenig Aussicht auf ein Kriegsende, solange sich beide Seiten noch – wie gering auch immer geartete – Chancen auf einen Sieg ausrechnen, und kontrastiert die Unterschiede von demokratisch legitimierten zu autokratisch geführten Kriegsparteien. Zahlreiche Thesen fokussieren dabei auf Endszenarien von Kriegen und die Transition zu „doing peace“. Hier streicht er etwa die Gefahr von faulen Friedensschlüssen hervor, warnt vor Demütigung des Besiegten und mahnt realistische Erwartungen an Frieden ein. Deutlich werden dabei die für jeden Konflikt spezifischen komplexen Konstellationen, die eine Vorhersage zwar verunmöglichen würden, jedoch Erwartbares erkennen ließen. Einmaligkeit und Wiederholung bildeten in der Geschichtswissenschaft schließlich keinen starren Gegensatz, sondern seien ähnlich einer sprachlichen Grammatik miteinander verschränkt und würden sich unterschiedlich bedingen. In eine Erkenntnis überführt heiße dies letztlich, Geschichte kritisch produktiv zu machen und „mit ihren Belastungen konsequent zu brechen, ohne historische Kontinuität zu leugnen.“