Handbuch Europäische Souveränität
zur inneren und äußeren Selbstbehauptung der Europäischen Union
- Buch
- Till Patrik Holterhus et al. (Hrsg.)
- Mohr Siebeck, 2024. - 575 Seiten
Forderungen nach einem souveränen (bzw. souveräneren) Europa haben Konjunktur und werden u.a. vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, geopolitische Verwerfungen, die Covid-19-Pandemie, wirtschaftlicher Abhängigkeiten oder Migrationsbewegungen erhoben. Auch der Brexit, die Präsidentschaft Donald Trumps oder Emmanuel Macrons Rede an der Sorbonne-Universität 2017 zur europäischen Souveränität haben Debatten entfacht, in denen der Souveränitätsbegriff freilich sehr unterschiedlich verwendet und gedacht wird. Dem vorliegenden Handbuch junger Rechtswissenschaftler_innen ist daran gelegen, Dimensionen des Souveränitätsbegriffs zu konturieren und den Diskurs über entsprechende Transformationen der Europäischen Union mit Grundlagen zu unterfüttern. Die Zielvorstellung eines souveränen europäischen Bundesstaats beziehe ihren Reiz dabei aus der Einzigartigkeit der Konstellation und dem Fehlen historischer Vorbilder: „So ist zwar bekannt, dass aus gelingender politischer Selbstbehauptung in unentschiedenen Lagen der harte Rechtstitel der Souveränität erwachsen kann. Im europäischen Integrationsprozess liegt die Besonderheit aber darin, dass ein Ensemble souveräner Verfassungsstaaten in einen rechtlich strukturierten Verdichtungsprozess eingetreten ist, in dem die Verortung weicher politischer Souveränität ganz unterschiedlich ausfallen und für verschiedene Felder womöglich wechseln kann.“ Unterschieden wird somit zwischen rechtlicher (bzw. „harter“) und politischer („weicher“) Souveränität, wobei letztere angesichts der aktuell durch das deutsche Verfassungsrecht ausgeschlossenen Möglichkeit einer rechtlichen Souveränität im Vordergrund steht. In 13 Kapiteln wird diskutiert, welche Auswirkungen eine höhere politische Souveränität in verschiedenen Bereichen (etwa Energie-, Finanz-, Verteidigungs-, Klima- oder Administrative Souveränität) bedeuten und wie eine solche erlangt werden könnte. Einige dieser Ausweitungen wären im Rahmen bestehender Europaverträge möglich, andere würden vertraglicher Änderungen bedürfen – und somit auch der Zustimmung jener Mitgliedsstaaten, die in jüngerer Zeit wiederholt gegen solche Kompetenzübertragungen votiert haben. Einig sind sich die Herausgeber_innen insofern darin, dass die Europäische Union sich einer Reihe an bedeutsamen und potenziell konfliktträchtigen Entscheidungen stellen wird müssen, deren Ausgang ungewiss ist.