Global Citizenship Education
Machtkritische Lehre und postkoloniale Perspektive als transformative Kräfte an der Universität
- Buch
- Kernegger, Grete
- ÖFSE, 2023. - 125 Seiten
Mit der Dringlichkeit der globalen Klimakrise hat die Diskussion um die Rolle von Bildung in der Bewältigung dieser und anderer globaler Krisen Fahrt aufgenommen. Transformative Bildung und Bildung für die Transformation sind Schlagwörter, die oft gebraucht, jedoch oftmals nicht eindeutig definiert werden. Unter dem breiten Begriff der Transformativen Bildung wird häufig das Konzept von Global Citizenship Education (GCED) angesiedelt, das, wenn auch weniger bekannt als das in einem gewissen Konkurrenzverhältnis dazu stehende Konzept der Bildung für Nachhaltige Entwicklung, insbesondere aus einer entwicklungspolitischen Perspektive große Relevanz aufweist.
Die UNESCO definiert GCED im weitesten Sinn als “framing paradigm which encapsulates how education can develop the knowledge, skills, values and attitudes learners need for securing a world which is more just, peaceful, tolerant, inclusive, secure and sustainable”. Diese Definition weist auf die Breite des Begriffs hin, die Raum lässt für sehr moderate bis hin zu radikalen, disruptiven Ansätzen.
Margarete Kerneggers vorliegende Arbeit leistet einen wesentlichen Beitrag sowohl zum besseren Verständnis des theoretischen Konzeptes GCED, als auch zur Wahrnehmung konkreter Möglichkeiten seiner Anwendung. Am Beispiel der Situation und (potentiellen) Rolle von marginalisierten Studierenden an österreichischen Hochschulen, die vornehmlich, aber nicht ausschließlich aus dem globalen Süden stammen, diskutiert Kernegger die Bedeutung von GCED für Dekolonisierungsprozesse und Bildungsgerechtigkeit im Hochschulsektor.
Besonders bemerkenswert ist die ausführliche theoretische Diskussion, in welcher die Autorin ihre empirische Arbeit verortet, und die in ihrer Tiefe und Breite weit über das in Masterarbeiten übliche Maß hinaus geht. Kernegger bespricht die unterschiedlichen unter GCED subsumierten Ansätze in ihrer Vielfältigkeit und oftmals kontroversiellen Ausrichtung und sie verknüpft diese mit Theoretisierungen zum soziokulturellen Raum Universität.
Auf der Basis ihres empirischen Materials – qualitative Interviews mit Lehrenden der Universität Wien – zeigt Kernegger, dass GCED (implizit) Eingang in die Lehre gefunden hat, auch wenn die Grenzen für machtkritische Lehre eng gesteckt sind. Beispielhaft analysiert sie anhand des Umgangs der Institution Universität mit marginalisierten Studierenden die Wahrnehmung dieser als „Abweichung von der Norm“. In der mehr unbewussten als bewussten, gleichwohl jedoch allgegenwärtigen Zentralsetzung des Eigenen als universell und des Anderen als Defizit erkennt Kernegger Formen kolonialen Denkens und Handelns. Ohne sich schnelle Lösungen für diese im Strukturellen verankerten Schieflagen anzumaßen, fordert die Autorin solidarische Unterstützung für marginalisierte Studierende, damit diese „den Raum des Schweigens, in den sie nur allzu oft gedrängt werden, verlassen (können)“.