Glänzende Aussicht
- Buch
- Fang Fang
- Hoffmann und Campe, 2024. - 173 Seiten
Der Debütroman der chinesischen Autorin Fang Fang erschien bereits 1987 in China. Mehr als 35 Jahre später wurde er nun ins Deutsche übersetzt. Er porträtiert das Leben einer elfköpfigen städtischen Arbeiter_innenfamilie in Wuhan im 20. Jahrhundert. Das Leben der Familie ist geprägt von Armut, Gewalt und einer patriarchalisch-hierarchischen Struktur. Der Vater schlägt Kinder und Frau regemäßig, auch unter den Geschwistern herrscht ein rauer Umgangston. Das besondere, vor allem aber auch morbide am Roman ist die Erzählperspektive: Es wird aus der Sicht des achten – verstorbenen – Kindes geschildert. Der jüngste Bruder nimmt die Leser_innen mit durch die Jahre und die einzelnen Schicksale seiner Geschwister. Im Mittelpunkt steht dabei der Bruder Sieben, der auf besonders viel Ablehnung in seiner Familie stößt. Der Roman begleitet die verschiedenen Wege der Geschwister, wie sie versuchen aus den ihnen auferlegten Umständen auszubrechen oder mit ihnen zurecht zu kommen. „Ich habe jeden von ihnen aus dem Fenster gelehnt sagen hören, der kleine Bruder Acht habe es von allen am besten getroffen.“ Selbst der Tod erscheint den Geschwistern angenehmer als ihre eigene bittere und kalte Realität. Fußnoten und ein Nachwort des Übersetzers Michael Kahn-Ackermann helfen den Leser_innen die Geschichte der Familie in einen historischen und politischen Kontext, vor allem den der chinesischen Kulturrevolution, einzuordnen. Mit dieser Hilfestellung und der Einbettung der Geschichte der Familie in diesen Kontext werden die gesellschaftlichen Entwicklungen im 20. Jahrhundert in China greifbarer.
Auf nicht einmal 200 Seiten stellt Fang Fang das Leben der chinesischen Arbeiter_innenfamilie auf so eindringliche Weise dar, dass man erschüttert und nachdenklich zurückbleibt.