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Die Natur hat Recht


Wenn Tiere, Wälder und Flüsse vor Gericht ziehen – für ein radikales Umdenken im Miteinander von Mensch und Natur

Cover des Buches
  • Buch
  • Weydt, Elisabeth
  • Knesebeck, 2023. - 271 Seiten.

Mit Anfang 20 gerät Elisabeth Weydt während eines Freiwilligenaufenthalts in Ecuador zufällig in einen Konflikt zwischen der indigenen Bevölkerung und Paramilitärs im Auftrag des kanadischen Bergbauunternehmens Ascendant Copper. Mittlerweile hat die Natur in der ecuadorianischen Verfassung verbriefte Rechte als juristische Persönlichkeit erhalten, wodurch sie nicht bloß (im besten Fall) schützenswerter Gegenstand der Gesetzgebung ist, sondern ein eigenes Rechtssubjekt darstellt. Während Ecuador das erste Land mit auf Verfassungsebene verankerten Eigenrechten der Natur ist, gibt es weltweit ähnliche Initiativen. Dadurch wird die enge anthropozentrische Konzeption des Rechts, wonach Träger_innen von Rechten nur (natürliche oder juristische) Personen sein können, ansatzweise aufgelöst – wenngleich es nach wie vor menschliche Personen braucht, welche die Rechte der Natur einfordern, einklagen bzw. treuhändisch wahrnehmen. In „Die Natur hat Recht“ begibt sich die Journalistin Elisabeth Weydt über ecuadorianische Beispiele hinaus an zahlreiche Schauplätze dieser Bestrebungen, etwa Palmölplantagen in Honduras, einer Stahlfabrik oder Kobaltabbaugebieten im Kongo, und lässt dabei jene Menschen zu Wort kommen, die im Namen der Natur für deren Rechte eintreten.

Zugänglich diskutiert sie unterschiedliche Strategien, Bewegungen und Instrumente (etwa das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz), interessiert sich für das transformative Potenzial von Entwicklungsbanken oder privaten Akteur_innen. Stets fokussiert Weydt in diesen Reportagen auf globale Zusammenhänge, koloniale Kontinuitäten und die Bedingungen der komplexen Gegenwart: „Immer mehr verstand ich, was Humboldt mit seinem ›Alles ist Wechselwirkung‹ wohl gemeint hatte. Nichts steht für sich allein. Die internationalen Wirtschafts-, Justiz- und Staatssysteme, in denen wir leben und die fast alles Leben auf diesem Planeten durchziehen, sind über Jahrhunderte gewachsen. So einfach kommen wir da nicht heraus. Das Patriarchat hat ordentlich mitgeschrieben an diesen Gesetzestexten und Handelsabkommen, ebenso Rassismus und Kapitalismus. (…) Doch wenn es immer die gleichen Mechanismen, Muster und Strukturen sind, die zu Leid und Zerstörung führen, dann müsste es doch auch Lösungsansätze geben, die auf ebendiese grundlegenden, destruktiven Muster passen und damit gleich eine ganze Reihe von Unheil auflösen könnten. Ein Schlüssel für gleich mehrere Schlösser?“ Deutlich artikuliert die Verfasserin abschließend die weitreichende Bedeutsamkeit einer veränderten Weltsicht, in der die sensiblen Verschränkungen und Zusammenspiele der Ökosysteme anerkannt werden und ein respektvoller Umgang menschlichen und nicht-menschlichen Lebens miteinander der Standard ist. Denn ebenso banal wie offensichtlich sei eben, dass der Mensch letztlich auch nur Teil der Natur ist.