Abhängiger Extraktivismus
internationale Zwänge und Abhängigkeitsverhältnisse bei peripherem Rohstoffextraktivismus
- Buch
- Rahman, Lea
- Tectum, 2024. - 86 Seiten
Extraktivistische Entwicklungsmodelle sind in den Ländern des Globalen Südens seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht zuletzt mehrfacher Rohstoffbooms verbreitet. Für viele Staaten scheint es dabei vielversprechend, den Rohstoffsektor für global agierende Unternehmen zu öffnen und mit den erwarteten hohen Einnahmen Sozialprogramme oder Infrastrukturaktivitäten zu fördern. Die mit Extraktivismus verbundenen Erwartungen einer Wohlstandssteigerung und wirtschaftlichen Entwicklung erfüllen sich dabei jedoch selten, zugleich werden zahlreiche negative Auswirkungen und externalisierte Kosten wie Umweltverschmutzung, Wasserknappheit, Landkonflikte oder Ausbeutungsverhältnisse schlagend. Lea Rahman resümiert insofern, dass „Extraktivismus ökonomische Abhängigkeitsverhältnisse [verschärfe], erstens weil die Exportwirtschaft von Nachfrage und Weltmarktpreisen abhängt und zweitens, da der primäre Fokus auf den Rohstoffsektor eine Ausdifferenzierung der heimischen Wirtschaftsstrukturen meist verhindert.“ Ihre Masterarbeit interessiert sich daher dafür, weshalb Staaten weiterhin an diesem rohstoffbasierten Entwicklungsmodell festhalten und orientiert sich dabei explizit weniger an internen Dynamiken, sondern an internationalen Machtverhältnissen. Mittels qualitativer Fallstudien vergleicht sie die beiden Länder Peru und Tansania, die insofern ähnliche Ausgangslagen hätten, als sie nach einer Phase des Ressourcennationalismus den Rohstoffsektor in den 1980er- und 1990er-Jahren liberalisiert hätten, um ihn in den ersten Jahrzehnten des neuen Jahrtausends wieder zu regulieren. Neben der in den letzten zehn Jahren – vor allem mit Fokus auf Lateinamerika – stark angewachsenen Extraktivismus-Forschung greift Rahman dabei auch auf Begrifflichkeiten von kapitalistischen Zentren und Peripherien im Weltsystem sowie auf Imperialismus- und Dependenztheorien zurück. So zeigt sie einerseits auf, dass die zumeist am Nationalstaat orientierte Extraktivismus-Forschung auch mit globalen Theorien gut kombinierbar ist, andererseits demonstriert sie auch deren Anwendbarkeit auf Länder außerhalb Lateinamerikas. Letztlich hänge der Trend zu Extraktivismus stark mit globalen Ungleichheiten zusammen und beschränke den Handlungsspielraum staatlicher Akteur_innen im Globalen Süden sehr: „Extraktivistische Wirtschaftspraxen werden durch ökonomische Abhängigkeit bedingt und halten diese damit gleichzeitig aufrecht.“ Unklar bleibe, welchen Stellenwert extraktivistische Wirtschaftsmodelle in einer von grünen Technologien und multipolarer Geopolitik gekennzeichneten Weltwirtschaft zukünftig einnehmen würden.