Politik im Zeitnotstand
Katastrophen, Krisen, Kriege, Transformationsprozesse
- Buch
- Rinderspacher, Jürgen
- Barbara Budrich, 2024. - 390 Seiten
Klimakrise, Ukrainekrieg, autoritäre Machtformen – an existenziellen Krisen mangle es tatsächlich nicht, hält Jürgen Rinderspacher fest. Diese bestimmen den politischen Alltag und erfordern stetig beschleunigend ihre Bewältigung ein. Die Vorstellung ökologischer Kipppunkte genauso wie mediale Äußerungen einer „Zeitenwende“ suggerieren dabei, dass diese Krisen möglichst rasch bearbeitet werden müssten – oft auf Kosten demokratischer Prinzipien oder sozialer Akzeptanz. Der Sozialwissenschaftler Jürgen Rinderspacher beschäftigt sich im vorliegenden Band mit dem Faktor „Zeit“: Weshalb sehen sich Regierungen dazu gezwungen, ambitionierte Zielhorizonte zu beschließen, die dann doch regelmäßig und deutlich verfehlt würden? Wie werden diese legitimiert? Was bedeutet das Postulat „exzeptioneller Krisen“ auf die mögliche Bandbreite gesellschaftlicher Meinungen? Und welche Auswirkungen hat der Zeitnotstand auf die politische Qualität? Mit diesen Fragen setzt sich Rinderspacher sowohl in Bezug auf konkrete Krisenlagen (etwa Klimawandel oder Krieg), als auch abstrakt mit Interesse für unterschiedliche Zeitlichkeiten, Rechtfertigungsnöte, Transformationsvisionen und Dystopien auseinander: „Das aktuelle Dilemma besteht darin: Als Gesellschaft und Individuen stehen wir tatsächlich unter gewaltigem Zeitdruck, einerseits um den drohenden Katastrophen vorzubeugen, anderseits sofort helfend zu reagieren, wo eine Katastrophe eingetreten ist. Jedoch scheint das Regieren unter zu hohem und zu wenig kritisch hinterfragtem Zeitdruck immer häufiger dazu zu führen, dass zentrale politische, wirtschaftliche und kulturelle Errungenschaften unserer Gesellschaft unter die Räder kommen, ohne damit die angestrebten Ziele einigermaßen sicher erreichen zu können. Wie könnten Wege aussehen, die aus dem Rechtzeitigkeitsdilemma herausführen?“ Hierbei warnt Rinderspacher vor einfachen Antworten und mahnt ein, jeweils den politischen Interventionsbedarf im Verhältnis zum Zeitdruck zu stellen und die praktische Umsetzung zu berücksichtigen. So sei etwa entscheidend, dass Mitspracherechte der unmittelbar betroffenen Personen gewahrt, die Lasten generationen(gerecht) aufgeteilt und die Maßnahmen sich als tatsächlich wirksam erweisen würden.