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Migration


22 populäre Mythen und was wirklich hinter ihnen steckt

Cover des Buches
  • Buch
  • Haas, Hein de
  • S. Fischer, 2023. - 512 Seiten.

Fluchtbewegungen sprengen alle Rekorde, Menschenschmuggel sei moderne Sklaverei, unsere Gesellschaften seien so vielfältig wie nie zuvor und Zuwanderung löse die demografischen Probleme unserer reichen Gesellschaften. Die öffentliche Debatte ist zugespitzt und voll von solchen wiederkehrenden Narrativen und Behauptungen pro und contra Migration, die in der Folge jedoch kaum hinterfragt und diskutiert werden. Der niederländische Migrationsforscher Hein de Haas verwehrt sich plumpen Schemata und sieht im polarisierten Diskurs auch den Grund für viele Problemlagen, da deren politische Bearbeitung nicht nur versage, sondern vielfach gar kontraproduktiv sei. Seinen Band versteht de Haas insofern als Versuch, durch die Dekonstruktion von Mythen durch wissenschaftliche Erkenntnisse und differenzierte Sichtweisen den Weg für sachliche Diskussion freizumachen: „Das Phänomen der Migration ist zu vielschichtig für einfaches Schwarz-Weiß-Denken. (…) Migration hat es immer schon gegeben, sie ist so alt wie die Menschheit. Wir waren immer schon unterwegs. Aber mit unserem Kästchendenken sind wir nicht in der Lage, die Migration als ganz normalen Prozess zu verstehen und ihrer Natur, ihren Ursachen und ihren Folgen auf den Grund zu gehen.“ Auf über 500 Seiten beschäftigt sich de Haas mit unterschiedlichen Zusammenhängen und Wirkungen von Migration, wobei er sich nicht auf einzelne (Einwanderungs-)Länder beschränkt, sondern sich an globalen Prozessen orientiert. Die einzelnen Kapitel lassen sich grundsätzlich auch getrennt bzw. in freier Reihenfolge lesen und sind in drei grobe Abschnitte gegliedert: Im ersten beschäftigt sich de Haas mit globalen Migrationsmustern und rezenten Dynamiken, neben einer Einordnung der jüngeren Fluchtbewegungen sowie einer Analyse „illegaler“ Migration wird etwa auch die verbreitete Erwartung dekonstruiert, dass sich Migration durch Entwicklungszusammenarbeit eindämmen lasse. Auswirkungen von Migration sowohl auf die Ziel- als auch Herkunftsländer stehen im zweiten Abschnitt im Zentrum, so werden etwa Faktoren für das Gelingen oder Scheitern von Integration benannt, Entwicklungen auf den Arbeitsmärkten skizziert oder Talentabwanderung/Brain Drain kontextualisiert. Im dritten und letzten Abschnitt werden Positionen von Politiker_innen, Interessensvertretungen und internationalen Organisationen daraufhin untersucht, wie sie die öffentliche Debatte beeinflussen und Realitäten verzerren. Hier werden etwa Dichotomien von migrationsfreundlichen Linken und -ablehnenden Rechten aufgelöst oder die von Klimabewegungen zur Legitimierung ihrer Forderungen prophezeiten „Völkerwanderungen“ an Klimaflüchtlingen als wenig wahrscheinlich bezeichnet. Stets geht de Haas dabei strukturiert vor, indem er zunächst Herkunft und Verwendung der jeweiligen Mythen nachspürt, bevor er anschließend auf Grundlage wissenschaftlicher Forschung verschiedener Disziplinen Dimensionen zurechtrückt, Zusammenhänge veranschaulicht und Ambivalenzen nicht negiert. In einer abschließenden Zusammenschau formuliert er Perspektiven im Umgang mit Migration und plädiert dabei insbesondere für ein Anerkennen der Realitäten, divergierenden Interessen und unterschiedlichen Auswirkungen. Weder sei Migration die Lösung für verschiedene Probleme, noch sei sie ein Problem, das es zu lösen gelte. „Migration – 22 populäre Mythen und was wirklich hinter ihnen steckt“ richtet sich an ein breites Publikum und bewältigt den Spagat zwischen der Popularisierung von Wissen und gleichzeitiger inhaltlicher Präzision. Auf diese Weise werden zahlreiche Zwischentöne sichtbar, die in der öffentlichen Polarisierung häufig untergehen.