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„Deutschland, deine Kolonien“


Geschichte und Gegenwart einer verdrängten Zeit

Cover des Buches
  • Buch
  • Eva-Maria Schnurr et al. (Hrsg.)
  • München: DVA, 2022. - 252 S.

Kolonialismus ; Deutschland

Man versuchte mit den großen Kolonialmächten mitzuhalten, aber so richtig klappte das nicht; das Kaiserreich besaß seine Kolonien nur für kurze Zeit, deshalb war das koloniale Abenteuer historisch wenig folgenreich, so das verbreitete Allgemeinwissen. Nicht selten schwingt in populären Darstellungen bis heute verklärende Kolonialromantik mit (…).“ Das um den deutschen Kolonialismus errichtete Gerüst aus verklärenden Legenden, Mythen und Euphemismen wurde jahrzehntelang kaum infragestellt, erst in den letzten Jahren kam – im internationalen Vergleich reichlich spät – eine breitere gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der Thematik in Gang. Wie verbreitet die koloniale Amnesie nach wie vor ist, stellen Eva-Maria Schnurr und Frank Patalong regelmäßig bei empörten Zuschriften von Leser_innen in Reaktion auf Artikel zum deutschen Kolonialismus fest. Die beiden Redakteur_innen des SPIEGEL verantworten als Herausgeber_innen den vorliegenden Sammelband, der sich mit dem deutschen Kolonialismus, dessen kollektiver Verdrängung und dem Fortwirken kolonialer Kontinuitäten beschäftigt. Die darin versammelten Beiträge sind von Historiker_innen und Journalist_innen verfasst und beschäftigen sich mit unterschiedlichen Phasen, Aspekten, Akteur_innen und Auswirkungen des deutschen Kolonialismus. Vor allem wenden sie dabei ein modernes Kolonialismus-Verständnis an, das nicht bloß die kurze Zeitspanne formeller deutscher Kolonialmacht von 1884 bis 1918 meint, sondern etwa auch den Beitrag deutscher Personen und Unternehmen am transatlantischen Sklavenhandel berücksichtigt, Kontinuitätslinien von Kolonialismus und nationalsozialistischer „Volk braucht Raum“-Expansionsideologie benennt, Rassismen als ideologische Grundlage des Kolonialismus aufbereitet oder Aufarbeitungs- bzw. Verdrängungsleistungen des Kolonialismus sowohl in Deutschland als auch den ehemaligen Kolonien untersucht. In einer Zusammenstellung aus Berichten von Zeitzeug_innen, Interviews mit Expert_innen, Reportagen, anekdotischen Exkursen und biografischen Spurensuchen, aber auch dank zugänglicher Aufmachung und Sprache gelingt es „Deutschland, deine Kolonien“ solcherart, fundierte Impulse für die überfällige gesellschaftliche Aufarbeitung zu setzen. Ergänzt werden die Beiträge durch kurze Infokästen, ein Kompendium zu den deutschen Kolonien, eine chronologische Übersicht der Entwicklungen und Medienempfehlungen zum Thema.